Erneut haben die Gastblogger von SneakyMonday, Malte Triesch und Helena Barth, unser Festival besucht. Für uns haben sie den Festival-Donnerstag bei Nippon Connection Revue passieren lassen.
Malte:
Der Donnerstag begann stressig, mit einem (dem ersten) Besuch beim Kinderarzt. Termin um 10:00 Uhr. Danach Filmfrühstück um 11:00 Uhr, auf der Arbeit sagen wir dazu „harter Anschlag“, sprich das würde auch im besten Fall sehr knapp werden. Der Arzttermin verzögerte sich, so zum Glück auch der Start des Filmes. Letzteres war primär dem reichhaltigen Frühstücksbuffet, an dem sich die Gäste vor Filmstart schon laben durften, geschuldet. In neuer Location, dem Internationalen Theater, beinhaltete dieses zur Freude der Gäste erstmals auch Japanisches Essen. Mit über einer Stunde Verspätung konnte ich mich daher trotzdem gerade noch rechtzeitig zum Filmstart samt Frühstück in den Vorführungssaal schleichen. Als frisch gebackener Vater hätte es dann kein passenderer Film sein können. Geht es doch im Oscar nominierten Anime „Mirai“ um den dreijährigen Kun und seine titelgebende neugeborene Schwester. Über einen Baum im Hinterhof reist Kun in die Vergangenheit und Zukunft seiner Familie. Obwohl, soweit ich das beurteilen kann, authentisch aus der Sicht eines Dreijährigen erzählt, bietet der Film tiefgreifende Einblicke in Familienleben und Erziehung und macht dabei auch Erwachsenen einfach Spaß. Die Handschrift von Regisseur Hosoda, Mamoru ist dabei unverkennbar. Wer seine anderen Werke wie „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ oder „Ame & Yuki“ gesehen hat, erkennt Leitmotive wieder und kriegt hier wie dort herzergreifendes Kino auf Studio Ghibli Niveau. Diejenigen, die seine anderen Werke nicht kennen, denen sind übrigens besonders diese beiden wärmstens empfohlen. Danach war gerade noch Zeit um kurz über das Festivalgelände zu huschen und alte Freundschaften aus dem Japanologie-Studium aufzufrischen, dann musste ich zunächst wieder nach Hause, Windeln wechseln.
Helena:
Nach dem wunderbaren Mittwochabend mit dem einzigartigen „Fly me to the Saitama“, war die Vorfreude auf das Filmfrühstück und den neuen Film von Hosoda, Mamoru groß. Und wir wurden in keinster Weise enttäuscht. Ob der kleine Kun nun tatsächlich durch die Zeit reist oder ob er in seiner kindlichen Vorstellung beginnt gewisse Ereignisse und Veränderung auf fantasievolle Weise zu ver- und erarbeiten, ist jedem Zuschauer selbst überlassen. Gerade durch diese kindhafte Schlichtheit wird einem bewusst, wie selbst die winzigsten Dinge doch weittragenden Auswirkungen haben können und dass man sich trauen sollte immer einen weiteren Blick, eventuell aus einem anderen Blickwinkel, auf das eigene Umfeld zu werfen.
Nach dem Filmfrühstück machten wir uns auf Richtung Naxoshalle, um ein weiteres Mal mit fantastischen japanischen Speisen für unser leibliches Wohl zu sorgen und wie jedes Jahr zur selben Zeit am selben Ort viele Freunde und Bekannte wieder zu treffen. Ein Déjà- vu zum letzten Main-Matsuri im vergangenen August kam in Form der langen Schlange vor dem allseits beliebtem Crêpe- Stand von S’j Crêpes, doch die Matcha- Shakes und leckeren Crêpes lohnen sowohl die finanzielle als auch zeitliche Investition.
Als nächster Film stand „Inuyashiki“ auf dem SneakyMonday-Programm. Die Manga- Realverfilmung von Sato Shinsuke, der für weitere auf vergangenen NipponConnections präsentierte Adaptionen beliebter Manga wie „Gantz“ und „I am a Hero“ bekannt ist, handelt davon, wie zwei nicht unterschiedlicher sein könnenden Männer mit neu gewonnenen übermenschlichen Fähigkeiten und Kräften umgehen und für was und wen sie diese einsetzen. Die Prämisse an sich klingt interessant, ist die titelgebende Hauptfigur ein 58- jähriger, schüchterner Familienvater, der keine Freunde hat und von seiner Familie missachtet wird. Jedoch wird nach einer guten Einführung seine Figur nicht weiter ausgebaut und irgendwann aus dem Fokus verloren. Generell werden verschiedene Charaktere mit interessanten Ansätzen aufgezeigt, bedauerlicherweise nicht wirklich weiterverfolgt. Teilweise ist der Film äußerst unterhaltend und vor allem die Cyborg- Effekte rund um die zwei „Superhelden“ großartig, jedoch kommt schnell das Gefühl auf, dass der Film einfach kein Ende findet und vieles zu unnötig in die Länge zieht, sodass man zum ersehnten Finale etwas überdrüssig ist.
Malte:
Zum Heimkinoabend, dieses Jahr mit Comiczeichner Nicolas Mahler und Titanic-Redakteur Leo Fischer, war ich dann wieder zurück. Als Fan von nischigem Trash ist der Event jedes Jahr mein Highlight, denn trotz wechselnder Besetzung (i.d. R. mit dem deutschen Kultregisseur Jörg Buttgereit) und leichten Konzeptänderungen wurde immer genau mein Geschmack getroffen. So auch dieses Jahr. Als Einführung stellte Nicolas Mahler „Das Ritual“, seine Comic Hommage an Godzilla Schöpfer Tsuburaya, Eiji vor. Dann schauten wir alle entspannt und kommentierend mit den beiden gemeinsam den Godzilla- Klassiker „Invasion der Astromonster“. Wobei, so richtig trashig war der Film dann gar nicht. Zwischen Gummianzügen und “Godzilla Siegestanz“ wurde eine durchaus passable Science-Fiction Story erzählt. Passend war auch das dazu gereichte Bier: dieses Mal Premium (Kirin statt Discounter) und gekühlt aus der Glasflasche statt wie sonst warm aus PET.
Helena:
Nach dem von modernen Special Effects strotzenden „Inuyashiki“ war das Thema des diesjährigen Heimkinoabends eine anregende Abwechslung. In meiner Erinnerung verschmelzen die alten Godzilla- Filme immer mit den Power Rangers- Serien und deshalb hat es mich gefreut mal einen dieser alten Klassiker bewusst und mit Kenner sehen zu dürfen. Dass es sich dann eigentlich mehr um einen Alien Invasion Film handelte, überraschte bloß ein wenig (der Titel nimmt es doch etwas vorweg). Umso schöner war es dann zu erraten, welche modernen Filme, wie beispielsweise „Mars Attacks“, an diesen erinnern lassen.
Malte:
Den Abschluss machte „Tetsuo“ in Anwesenheit des Regisseurs Tsukamoto Shinya. Ein Film, den ich vor Jahren während der Schulzeit als viel zu anstrengend und verwirrend abgetan hatte. Von der FSK 18 gar nicht zu reden, war ich wohl schlicht zu jung um einen surrealistischen Cyberpunk-Schwarzweißfilm wertzuschätzen. Auch das Formt „VHS“ mit kleinem Röhrenfernseher half dem bild- und tongewaltigem Film sicher nicht. Auf der großen Leinwand des Mousonturms und mit Soundabmischung in „extra laut“ auf Wunsch des Regisseurs konnte der Film dann seine ganze Magie entfalten. Ob die grotesk sexuelle Verschmelzung von Mensch und Maschine einen dann komplett in seinen Bann zieht (wie mich) oder man eigentlich lieber wegrennen möchte, der Film ist auf jeden Fall eine Erfahrung. Ebenso wie die NipponConnection selber, wobei ich hier nicht verstehen würde, warum man die Flucht ergreifen sollte. Denn auch wenn die langen Nächte der NipponConnection dem bei mir ohnehin schon vorherrschenden Schlafmangel als Vater eines Neugeborenen sicher nicht zuträglich waren, möchte ich diese doch auf keinen Fall missen.
Helena:
Ich dachte, ich hätte bereits irgendwann mal von Tsukamotos „Tetsuo“ gehört oder mindestens gelesen und da mir noch kurz vor Filmbeginn versichert worden ist, dass es sich dabei um ein Meisterwerk handelt, war ich mehr als gespannt auf diesen Klassiker der japanischen Filmgeschichte. Was ich dann schließlich zu sehen und hören bekam, war jenseits meiner Erwartungen und vor allem meiner Vorstellung. Der Film zieht jeden sofort in seinen ganz speziellen Bann und an sich nicht unbedingt als Film zu betrachten, sondern als ein Erlebnis für sich. Eine audiovisuelle Kakophonie, die so unnachgiebig und gnadenlos ist, dass ich irgendwann nicht mehr auf die Leinwand blicken konnte. Tsukamoto hat definitiv ein Kunstwerk geschaffen und zeigt auf, wie hektisch, tobsüchtig und albtraumhaft das Leben sein kann und es schmerzt buchstäblich diesem zu zusehen. Die Magie, ob gut oder schlecht ist jedem selbst überlassen, von „Tetsuo“ schafft es fast alle Sinne anzusprechen und für diese kaum in Worte zu fassende Erfahrung im Kino (ich war bloß extrem froh darüber diese Erfahrung nicht alleine durchstehen zu müssen) bin ich schließlich bis zum Schluss sitzen geblieben und nicht sogleich weggerannt, obwohl der Drang doch da war.